Ich habe es doch „gut gemeint“

Fast täglich stolpert man bei Facebook über Meldungen in denen zur Hilfe aufgerufen wird. Viele Aufrufe haben auch Ihre Daseinsberechtigung, aber es gibt in diesem Bereich auch viele „schwarze Schafe“. Manche „erfinden“ Fakes um möglichst viele „gefällt mir“ Klicks zu bekommen. Andere veröffentlichen auch einen Spendenaufruf, um Spenden zu ergaunern. Und wiederrum andere machen sich einfach einen schlechten Scherz.

Manche Facebook User teilen solche Hilfeaufrufe ohne drüber nachzudenken, was Sie dort genau teilen. Man hat ja etwas gutes getan. Und viele beruhigen mit diesem teilen auch Ihr Gewissen, dass sich ab und zu meldet und meint, dass man mal wieder eine gute Tat tun sollte.

Doch es gibt auch die „guten Aufrufe“ die wirklich auf eine Notlage aufmerksam machen. Doch auch hier kann man Fehler machen, die den Helfern die Hilfe unnötig erschweren.

In Hamburg gibt es seit vielen Jahren den Mitternachtsbus. Eine mobile Einrichtung, die durch die Strassen von Hamburg fährt und dort Obdachlose mit heißen Getränken, Klamotten und Schlafsäcken versorgt. Denn viele Obdachlose weigern sich auch in den kalten Nächten die Notunterkünfte aufzusuchen, weil Sie dort schlechte Erfahrungen gemacht haben. Von Diebstählen, Gewalt und Alkohlmissbrauch wird dort berichtet.

Um diese Menschen nicht alleine zu lassen, lässt die Diakonie Hamburg seit vielen Jahren den Mitternachtsbus fahren. An 20 Stellen, an denen sich viele Obdachlose aufhalten bieten Sie Ihre Hilfe an. Und gerade in den jetzigen frostigen Nächten ist diese Hilfe auch sehr wichtig um den Obdachlosen vor dem Erfrieren zu bewahren. Dazu fährt dieser Bus täglich von 20:00 Uhr bis 00:00 Uhr. Doch auch dieses Angebot hat seine Grenzen. So wird nicht angeboten, dass man Obdachlose ins Warme fährt. Wenn doch mal ein solcher Hilferuf den Bus erreicht, dann rufen die Helfer dieses Busses auch den Notarzt um eine schnelle medizinische Versorgung sicherzustellen.

Dieses Angebot ist auf Spenden angewiesen. Und daher ist es auch wichtig auf dieses Angebot hinzuweisen. Zum einen für die Obdachlosen, damit Sie wissen, an welchen Stellen dieser Bus hält und hilft, aber auch für die Menschen, die etwas gutes tun möchte, in dem Sie alte Klamotten spenden, Schlafsäcke oder auch durch Ihre aktive Mitarbeit. Um das ganze zu Organisieren gibt es eine Rufnummer der Diakonie an die man sich wenden kann. Diese Rufnummer ist eine normale Büronummer und meines Wissens nach nicht 24 Stunden besetzt. Sie dient also der Organisation.

Leider wird diese Nummer in den letzten Tagen bei Facebook extrem verbreitet, weil viele Menschen die folgende Meldung einfach teilen und so weiter verbreiten:

ES IST TÖDLICH KALT!!! wer abends / nachts Obdachlose auf der Straße in Hamburg schlafen sieht, kann den MITTERNACHTSBUS anrufen: Telefon 040 xxxxxx-xx. Dann kommt der Kältebus vorbei, um sie vor dem Kältetod zu bewahren!!!! bitte weiter verbreiten…

Diejenigen, die dieses teilen haben verständlicherweise ein gutes Gefühl dabei. Denn Sie sorgen dafür, dass dieses Angebot bekannt wird und haben das gute Gefühl, dass alle Welt diese Nummer bald kennen wird. Wie oben jedoch erwähnt ist diese Nummer nur die Büronummer, die die Organisation übernimmt. Der Text ist jedoch so formuliert, dass der Eindruck entstehen kann, dass man dort beim Auffinden eines Obdachlosen einen „Notruf“ absetzen kann.

Carsten hat in seinem Blog ein Szenario geschildert, in dem er eine Situation beschreibt, die gar nicht so abwägig ist:

Stellen wir uns vor, zwei Freunde, des nächtens in Hamburg unterwegs, sehen in der Irgendwostrasse vor dem Nimmmichaus-Markt einen Obdachlosen liegen, der ganz offensichtlich friert. Meint einer der beiden: „Hey, ich habe da eine Nummer bei Facebook gesehen, so ein Kältebus, den rufen wir jetzt an, der holt den ab und bringt in an ein schön warmes Plätzchen.“ Gesagt getan, aber: „Oh, nur der Anrufbeantworter? Na egal, die werden gerade jemand anderen abholen, ich spreche denen die Adresse auf’s Band…“. Super, zwei Menschen haben ein ruhiges Gewissen, fühlen sich gut, weil sie vermeintlich etwas Gutes getan haben – und der (glücklicherweise derzeit noch fiktive) Obdachlose erfriert, weil die beiden eben nicht die 112 angerufen haben, sondern einen „Kältebus“ informiert haben, den es gar nicht gibt.

An diesem (hoffentlich fiktiven) Beispiel erkennt man sehr gut, dass hier ein „gut gemeintes“ Teilen fatale Folgen haben kann. Und auch der Bertreiber dieses Projektes teil in einer Mail folgendes mit:

danke für deine Meldung. Ich werde hier tatsächlich bereits mit Anrufen und Mails überhäuft und habe bereits eine Korrektur auf der Facebook-Seite dazu gepostet[…] Das war nicht mit uns abgesprochen und ist von uns auch nicht leistbar.
Wir fahren jede Nacht mit dem Mitternachtsbus unsere Tour zu obdachlosen Menschen in der Hamburger Innenstadt. Wer uns dabei auffällt, um den kümmern wir uns. Mit Ansprache, Kaffee, Schlafsack und wenn nötig, rufen wir den Notarzt. Weitere Stadtteile/Orte können wir nicht in unsere Route aufnehmen, da wir mit gut 20 Haltepunkten pro Nacht zwischen 20-24 Uhr mehr als voll ausgelastet sind. Wir haben keine Hotline dafür, wir fahren unsere Strecke ab, wo erfahrungsgemäß die meisten Obdachlosen liegen. Die auf Facebook gepostete Nummer ist meine Büronummer, wo ich tagsüber erreichbar bin.

Die Hamburger Sozialbehörde hat aber seit Neuestem eine Hotline geschaltet, wo man Auffälligkeiten auf der Straße melden kann. Die Nummer ist: 428 28 5000. Bisher ist die Hotline aber nur Mo-Fr 8-16 Uhr besetzt. 
Bei weiteren Fragen gerne wieder melden.
Schönen Gruß,
Sonja Norgall
Diakonie-Hilfswerk Hamburg
Projektleitung Der Mitternachtsbus
Bundesstraße 101
D-20144 Hamburg
Telefon 040 40 17 82-15
Fax 040 40 17 82-18
norgall@diakonie-hamburg.de
www.mitternachtsbus-hamburg.de
Damit sollte eigentlich klar sein, dass dieser Bus eine sinnvolle Einrichtung ist, aber (leider) nicht das anbietet, was die Facebook-Nachricht suggestiert. Wenn man einen Obdachlosen auf der Strasse sieht, dann kann man nicht erwarten, dass der Bus extra dorthin fährt und diese Menschen einsammelt. Wenn man einen Obdachlosen sieht, der offensichtlich kurz vor der Erfrierung steht, dann sollte man gleich die Profis vom Rettungsdienst anrufen. Und diese erreicht man unter der 112.
Der Gedanke „Ich habe es doch gut gemeint“ sorgt leider dafür, dass einige Menschen das denken danach einstellen. Im Gegenteil, wenn man diese berechtigte Kritik unter diesem Posting äußert, dann bekommt man eine Art Mini-„Shitsrom“ ab. Ich würde Hilfe verhindern wollen oder ich habe zuviel Freizeit und würde diese auch nutzen um Falschparker anzuzeigen, sind noch die harmlosesten Anfeindungen die gegen mich gingen.
Was ich nicht verstehe: Wenn man einen Fehler macht, obwohl man helfen möchte, warum kann man sich diesen Fehler nicht eingestehen? Es wäre ein einfaches dieses Posting zumindest auf der eigenen Seite zu entfernen und einen neuen zu schreiben in dem man auf den Fehler hinweisst, bittet das Teilen des alten Beitrags zu unterlassen und vielleicht einen neuen zu verfassen. Dieser könnte so aussehen:
Tödliche Kälte – Jetzt wo der Frost über das Land zieht, gibt es viele Obdachlose die Hilfe benötigen. Auch in HamburgWenn Ihr Klamotten oder Schlafsäcke spenden möchtet oder Euch aktiv beteiligen möchtet und aus Hamburg kommt, dann könnt Ihr Euch gerne an den Mitternachtsbus der Diakonie wenden. Die Kontaktrufnummer findet Ihr unter http://www.mitternachtsbus-hamburg.de
Bitte setzt ein Zeichen gegen die soziale Kälte und teilt dieses Posting.
Dieses Posting wurde unter anderem von einem Shop für Musik und Fussball gepostet und obwohl ich dort auch die Mail der Diakonie gepostet habe, wird dort nicht unternommen. Der Beutrag steht in seiner ursprünglichen Form dort und im nächsten Posting steht sogar:
Was soll ich sagen… ? Guten Morgen ? Der Post unten drunter regt mich wahnsinnig auf. Danke an alle die geholfen haben!! Ihr seid eben die BESTEN. Wünsche Euch einen schönen Tag… lasst Euch nicht ärgern. Schnappt Euch einen Kaffeeee und dann dreht die Musik auf.Ich brauche erstmaaaaa nen Beruhigungstee oder ähnliches-weiß grad nicht wirklich viel dazu zu sagen.

und in einem Kommentar unter diesem Beitrag:

Kathrin mal.nen baldriantee reicht. Reg dich nicht über ein a………. auf, es hi t immer einen der klugscheißen muss.

Ich werde an dieser Stelle nicht weiter auf die Kommentare eingehen. Ich möchte nur alle Menschen, die des Denkens mächtig sind dieses Posting nicht weiter zu teilen.

 

2 Gedanken zu „Ich habe es doch „gut gemeint““

  1. Wieso fällt mir grad ein Lied von den Ärzten ein?
    „Lass die Leute reden und lächle einfach mild
    Die meisten Leute haben ihre Bildung aus der Bild“
    Oder in dem Fall Facebook 😉

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